Eleni Torossi Nachruf

Eleni Torossi

„Es weht, weht und kleiner wird die Welt. Es weht, weht und größer wird die andere.“ 

( Odysseas Elytis )


Zum Tod der Schriftstellerin und Journalistin Eleni Torossi, die auch langjähriges Mitglied von JhJ war.



Von ihrem Balkon konnte sie in der Ferne das Meer sehen. Sie hat ihre Heimatstadt Athen geliebt, aber Eleni Torossi war nicht nur in einer Welt zu Hause. Sie hat es früh gelernt, Distanzen zu überbrücken, Fremdheit in Nähe zu verwandeln. Schon als Kind, denn sie hatte eine taube Mutter, für die sie „Übersetzerin“ war, der sie vermittelte, „wie die Welt klingt“. Später hat sie das in einem autobiografischen Roman verarbeitet, der mit den Worten beginnt: „Meine Mutter war anders als andere Mütter. In ihren Ohren waren weiße Knoten.“


Zauberhaft und zärtlich ist dieses Buch, das 2014 auf Deutsch und danach auf Griechisch erschienen ist („Als ich Dir zeigte, wie die Welt klingt“, LangenMüller). Auch ihre Kinderbücher gibt es in zwei Sprachen, und es gab eine Zeit, da sendete der Bayerische Rundfunk ein „Betthupferl“, eine Gutenachtgeschichte für Kinder, auf Griechisch, Eleni Torossi hat es geschrieben und mit ihrer unverwechselbaren Stimme gelesen.


Sie kam 1968 nach München, als die Diktatur der Obristen ihrer griechischen Heimat die Luft zum Atmen und den Mut zum Sprechen nahm. In dem Buch über ihre Mutter schreibt sie, wie diese am 21. April 1967, dem Tag des Putsches auf die Straße vor ihrer Wohnung im Athener Zentrum trat, sie wollte Milch holen. „Halt oder ich schieße“, brüllte ein Offizier. Ein Nachbar bewies Mut, rannte auf die Straße und schrie: „Stopp, aufhören, die Frau ist taub.“ Dann lief er zu Elenis Mutter, nahm sie in die Arme und erklärte ihr alles „mit seinen Händen und mit seinem Mund, den er auf zu machte“.  


In München kamen Mutter und Tochter am Hauptbahnhof auf Gleis 11 an, legendär, weil hier alle Gastarbeiterzüge aus dem Süden stoppten. Erst waren sie Asylbewerberinnen, auch die mühsamen Prozeduren, die das bedeutete, beschreibt sie in ihrem Buch. Dieses schwerelos erzählte Buch kann man auch als Autobiografie lesen, und als aufschlussreiche Beschreibung der damaligen politischen Verhältnisse in München, zwischen griechischen Gastarbeitern und politischen Flüchtlingen, die einander nicht selten misstrauten und überall Spione des Athener Regimes vermuteten.


Eleni studierte Politikwissenschaften, hielt sich mit Putzjobs über Wasser. Ein glücklicher Zufall brachte sie 1971 zum Bayerischen Rundfunk. Dem Münchner Sender blieb sie gut 30 Jahre treu, erst als Autorin für das neue griechische Gastarbeiterprogramm, das zum Sprachrohr des Widerstands gegen die Diktatur wurde, und später zur wichtigen Integrationsplattform, bis es 2002 eingestellt wurde, „ruhmlos“ und zu wenig gewürdigt, wie Eleni Torossi bedauerte.


Sie aber arbeitete weiter, machte Sozial- und Kulturreportagen und schrieb eine äußert beliebte Kolumne, für die es von den Hörerinnen und Hörern des „Notizbuchs“ stapelweise Zuschriften gab. In diesen Geschichten reiste sie um das Mittelmeer, wo ihre fantastischen Tanten das Blaue vom Himmel herunter kochten, und wie nebenbei ihre alten und neuen Rezepte mit Kulturgeschichte würzten. Auch aus dieser wöchentlichen Kolumne wurde ein Buch: „Warum Tante Iphigenia mir einen Koch schenkte“(2009 bei LangenMüller).


Deutsch hat sie „aus Trotz“, wie sie einmal sagte, so rasch gelernt, dass sie, die lange die Mittlerin für ihre Mutter war, keine Übersetzer mehr brauchte. Sprache „ist nicht lediglich eine Fähigkeit oder Fertigkeit unter vielen, sondern sie ist das, was das Denken ermöglicht“, zitierte sie in ihrem Roman den britischen Neurologen Oliver Sacks. Dieses Buch hat sie ihren „Freunden“ gewidmet. Eleni Torossi konnte Freundschaften pflegen, das war auch eines ihrer vielen Talente.


Für ihre außerordentlichen Fähigkeiten als Mittlerin zwischen den Kulturen hat sie 2006 den CIVIS-Hörfunkpreis der ARD für Integration und 2009 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Ihre Geschichten, die oft märchenhaft wirken und das Schwere leicht machen, haben Eingang in deutsche Schulbücher gefunden. Mit Deutschland hat sie gehadert, wenn sie nach 40 Jahren in diesem Land immer noch jemand „spüren ließ, dass ich Ausländerin bin“. Und in Griechenland schmerzte sie die Korruption und andere nur zu bekannte Übel. Nach Athen zog sie aber schließlich zurück, als ihre Gesundheit nachließ, in die Nähe der beiden Söhne. Dort ist Eleni Torossi mit nur 75 Jahren in der Nacht zum Sonntag, den 9. Oktober, in ihrer Wohnung, von der man so weit in die Ferne blicken kann, gestorben.


Christiane Schlötzer (Fotos: privat, Pixabay)

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